Hinsichtlich der Gestaltung der betrieblichen Räume ist primär die Arbeitsstättenverordnung zu beachten. In ihrem Anwendungsbereich hat der Betriebsrat weitgehende Beteiligungsrechte nach §§ 80 Abs. 1 Nr. 1, 87 Abs. 1 Nr. 7 und 89 BetrVG.
Eine Beteiligung nach §§ 90, 91 BetrVG kommt zusätzlich in Betracht, wenn die Vorschriften der Arbeitsstättenverordnung hinter den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen zurückbleiben.
§ 90 Unterrichtungs- und Beratungsrechte:
(1) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die Planung
rechtzeitig unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten.
(2) Der Arbeitgeber hat mit dem Betriebsrat die vorgesehenen Maßnahmen und ihre Auswirkungen auf die Arbeitnehmer, insbesondere auf die Art ihrer Arbeit sowie die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Arbeitnehmer so rechtzeitig zu beraten, dass Vorschläge und Bedenken des Betriebsrats bei der Planung berücksichtigt werden können. Arbeitgeber und Betriebsrat sollen dabei auch die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit berücksichtigen.
§ 90 Abs. 1 Nr. 1 umfasst sämtliche Bauvorhaben betreffend Räumen, die der betrieblichen Zweckbestimmung dienen (Werkhallen, Verwaltungsgebäuden, Labors, Lagerhallen, Lehrwerkstätten, Sozialräume wie Kantinen, Sporthallen, Aufenthalts-, Umkleide- und Waschräume, Toiletten). Es ist jedoch erforderlich, dass es sich um Räume handelt, in denen Arbeitnehmer tätig sind. Daher gehören Park- oder Sportplätze nicht dazu.
Umfasst vom Unterrichtungs- und Beratungsrecht sind Neu-, Um- oder Erweiterungsbauten. Jede Veränderung des bestehenden Baukörpers fällt unter den Begriff des Umbaus, sofern dadurch die Arbeitsbedingungen beeinflußt werden. Das gilt nach herrschender Ansicht selbst für den Einbau neuer Fenster- oder Türöffnungen, nicht für bloße Reparatur- oder Renovierungsarbeiten
Die Unterrichtung hat möglichst frühzeitig zu erfolgen, sobald feststeht, dass Maßnahmen getroffen werden sollen oder doch ernsthaft erwogen werden und erste Überlegungen über die Möglichkeiten ihrer Durchführung angestellt werden. Die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers beginnt also nicht erst, wenn die Planung abgeschlossen ist oder wenigstens Ergebnisse vorliegen, die Grundlage von Entscheidungen des Arbeitgebers sein könnten. Sinn der Mitwirkung des Betriebsrats ist es, nicht erst die späteres Umsetzung, sondern die Planung selbst zu beeinflussen. Der Betriebsrat darf also nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden.
Die Beratung ist nicht auf die Auswirkungen der Maßnahmen auf die Art der Arbeit und die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Arbeitnehmer beschränkt, weil diese in § 90 Abs. 2 BetrVG nur exemplarisch genannt werden ("insbesondere"). Der Betriebsrat kann also auch andere Auswirkungen auf die Arbeitnehmer in die Beratung mit dem Arbeitgeber miteinbeziehen.
Das Beratungsrecht des Betriebsrats verpflichtet den Arbeitgeber, sich mit den Argumenten auseinanderzusetzen, nicht jedoch auf die Vorstellungen des Betriebsrats im Ergebnis wirklich einzugehen und die Planung zu ändern.
Wenn der Arbeitgeber seinen Verpflichtungen nach § 90 BetrVG nicht nachkommt, wird vertreten, dass dann eine Einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Maßnahme möglich ist (HaKo-BetrVG/Kohte § 90 Rn. 29f; DKK-Klebe § 90 Rn. 37; das LAG Frankfurt am Main v. 03.11.1992 - 5 TaBV 27/92 bejaht einen Unterlassungsanspruch für zukünftige Maßnahmen in der Hauptsache, was in der Konsequenz auch eine Einstweilige Verfügung ermöglichen müsste), es wird aber auch vertreten, dass der BR keine Möglichkeit des Eingreifens habe (GK-BetrVG/Weber § 90 Rn. 47; HSWGNR-Rose § 90 Rn. 88; LAG Nürnberg v. 04.02.2003 – 6 (2) TaBV39/01). Fitting (§ 90 Rn. 47 ff) wird meist als ablehnend zitiert, obgleich dort durchaus die Möglichkeit als "in Betracht" zu ziehend beschrieben wird.
Einigkeit besteht, dass die Unterrichtung und Beratung an sich gegebenenfalls im Wege der Einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden kann.
Die wahrheitswidrige, unvollständige oder verspätete Information stellt eine Ordnungswidrigkeit nach § 121 BetrVG dar. Diese wird jedoch nur auf Antrag verfolgt, der binnen drei Monaten zu stellen ist.
§ 91 Mitbestimmungsrecht:
Werden die Arbeitnehmer durch Änderungen der Arbeitsplätze, des Arbeitsablaufs oder der Arbeitsumgebung, die den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit offensichtlich widersprechen, in besonderer Weise belastet, so kann der Betriebsrat angemessene Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich der Belastung verlangen. Kommt eine Einigung nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
Wenn den Anforderungen an die menschengerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes offensichtlich widersprochen wird, können Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich der Belastung mithilfe eines Einigungsstellenverfahrens durchgesetzt werden. § 91 ergänzt also § 90 aber auch § 87 Abs. 1 Ziff. 7 BetrVG. § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG findet jedoch nach h. M. hier analoge Anwendung, so dass das Mitbestimmungsrecht nach dieser Vorschrift ausscheidet, wenn der betreffende Gegenstand in einem Gesetz oder Tarifvertrag vollständig und abschließend geregelt ist.
Der Anwendungsbereich ist im Übrigen gegenüber § 90 BetrVG nicht enger, da die Begriffe Arbeitsplatz, Arbeitsablauf und Arbeitsumgebung umfassend sind.
Ausgangspunkt der Betrachtung ist eine notwendige Änderung, so dass bestehende Anlagen oder gleich bleibende Verhältnisse nicht erfasst sind. Da jedoch jeder Zustand letztlich auf einer Handlung und damit einer Änderung der Umstände beruht, können auch spät erkannte Beeinträchtigungen noch unter § 91 BetrVG fallen. Der offensichtliche Widerspruch muss sich gegen gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit richten.
Arbeitswissenschaft ist die Wissenschaft von der menschlichen Arbeit, den Voraussetzungen und Bedingungen, unter denen die Arbeit sich vollzieht, den Wechselwirkungen und Folgen, die sie auf Menschen, ihr Verhalten und damit auch auf ihre Leistungsfähigkeit hat, sowie von den Faktoren, durch die die Arbeit, ihre Bedingungen und Wirkungen menschengerecht beeinflusst werden können.
Die menschengerechte Gestaltung der Arbeit beziehen bezieht sich nicht nur auf Gesundheitsschutz, sondern auch darauf, die Arbeitsgestaltung so vorzunehmen, dass die Würde des Arbeitnehmers geachtet wird und die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit ermöglicht wird. Es geht also nicht nur um technische Fragen, sondern auch um Fragen der Notwendigkeit von Zwängen (vgl. Fitting § 90 Rn. 39).
Erkenntnisse sind gesichert, wenn sie methodisch abgesichert sind und von einer überwiegenden Meinung der beteiligten Fachkreise bejaht werden. Es gibt somit unterschiedliche Quellen, zuvorderst jedoch Gesetze, Verordnungen (ArbStättV, BildscharbV), UVV, europäische, VDI-Richtlinien, sonstige technische Regelwerke (vgl. HaKo-Kohte § 89 Rn. 10).
Bei neuen Technologien oder Werkstoffen sind die Risiken für die Beschäftigten nicht immer sofort erkennbar. Hier liegen gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse nach richtiger Auffassung bereits dann vor, wenn anerkannte Grundsätze methodisch einwandfrei weiterentwickelt werden (LAG Berlin v. 31.03.81, DB 81, 1519 [1520 f.])-
Ein offensichtlicher Widerspruch liegt vor, wenn dieser für den Fachmann, der mit dem konkreten Sachverhalt vertraut ist, ohne weiteres erkennbar ist. Ob ein Laie oder sog. Betriebspraktiker dies erkennen können,ist damit irrelevant.
Will der Betriebsrat sein Initiativrecht ausüben, muss er für jeden einzelnen Arbeitsplatz den offensichtlichen Widerspruch zu gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen benennen (BAG v. 06.12.1983 - 1 ABR 43/81, AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Es reicht aus, dass einzelne Arbeitnehmer in besonderer Weise belastet werden; ob es ausreicht, dass die Belastung nur aufgrund spezifischer persönlicher Verhältnisse gegeben ist, ist strittig (ggf. ist dann der Weg nach §§ 84, 85 BetrVG einzuschlagen).
Mögliche Belastungen: ergonomisch falsche Gestaltung des Arbeitsplatzes einschl. der Maschinen und sonstigen technischen Anlagen, Klima, Nässe, Schmutz, Staub, Gase, Lärm, Vibrationen, Lichtmangel, erhöhtes Arbeitstempo, Leistungsdruck, arbeitsorganisatorische Mängel, Monotonie, autoritäre Führungsstrukturen.
Liegt eine Belastung vor oder ist ersichtlich, dass eine in Ausführung begriffene Maßnahmen Belastungen zeitigen wird, kann der Betriebsrat angemessene Maßnahmen zur Abwendung, Milderung oder zum Ausgleich verlangen. Maßnahmen sind angemessen, wenn sie technisch möglich, wirtschaftlich vertretbar, geeignet und erforderlich sind. Der Betriebsrat kann zunächst das Ergreifen von Maßnahmen zur Abwendung der Belastung verlangen, also die Beseitigung der Quelle. Ist dies nicht möglich oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist, sind Maßnahmen zur Milderung anzuwenden. Ist auch das nach Prüfung zu verwerfen oder nur unzureichend, so kann für die betroffenen Arbeitnehmer ein Ausgleich verlangt werden.
§ 91 S. 2 und 3 BetrVG sieht wie § 87 Abs. 2 BetrVG den Gang zur Einigungsstelle vor, wenn zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber keine Einigung über die zu ergreifenden Maßnahmen zustande kommt. Im Rahmen des Spruchs der Einigungsstelle hat diese auch die (Zuständigkeit der Einigungsstelle) zu prüfen.
Für den Fall, dass der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht missachtet bejaht Kohte (HaKo-BetrVG/Kohte § 91 Rn. 18) die Möglichkeit einen Unterlassungsanspruch im Wege der Einstweiligen Verfügung durchzusetzen. Klebe (DKK-Klebe § 91 Rn. 25) verneint dies unter Verweis auf den Begriff der "korrigierenden" Mitbestimmung.
3. Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Ziff. 7 BetrVG bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz
§ 87 Mitbestimmungsrechte
(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:
(…)
7. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
(…)
(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat bei betrieblichen Regelungen über den Gesundheitsschutz mitzubestimmen, die der Arbeitgeber zwar auf Grund einer öffentlich-rechtlichen Rahmenvorschrift zu treffen hat, bei deren Gestaltung ihm aber Handlungsspielräume verbleiben. Mitzubestimmen hat der Betriebsrat bei der Ausfüllung dieses Spielraums. Dadurch soll im Interesse der betroffenen Arbeitnehmer eine möglichst effiziente Umsetzung des gesetzlichen Arbeitsschutzes im Betrieb erreicht werden. Das Mitbestimmungsrecht setzt ein, wenn eine gesetzliche Handlungspflicht objektiv besteht und wegen Fehlens einer zwingenden Vorgabe betriebliche Regelungen verlangt, um das vom Gesetz vorgegebene Ziel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu erreichen.
Ob die Rahmenvorschrift dem Gesundheitsschutz mittelbar oder unmittelbar dient, ist unerheblich. Keine Rolle spielt auch, welchen Weg oder welche Mittel die dem Gesundheitsschutz dienende Rahmenvorschrift vorsieht). Ebenso wenig kommt es auf eine subjektive Regelungsbereitschaft des Arbeitgebers an (vgl. zuletzt BAG v. 08.06.2004 - 1 ABR 4/03 m. w. N.).
Der Begriff des Gesundheitsschutzes ist umfassend und umfasst neben der Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten alle Maßnahmen, die der Erhaltung der physischen und psychischen Integrität der Arbeitnehmer gegenüber Schädigungen durch medizinisch feststellbare arbeitsbedingte Verletzungen, Erkrankungen oder sonstige gesundheitliche Beeinträchtigungen. Auch vorbeugende Maßnahmen sind von 87Abs. 1 Ziff. 7 BetrVG erfasst.
§ 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG schließt die Mitbestimmung insoweit aus, als Gesetz oder Tarifvertrag vollständige und abschließende Regelungen vorgibt.
Eine gesetzliche Vorgabe stellt das Arbeitsschutzgesetz dar. Es beinhaltet nach wie vor klassische Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren, aber auch das weitere Ziel der menschengerechten Gestaltung der Arbeit (vgl. § 2 Abs. 1 ArbSchG). Es beinhaltet dann auch zahlreiche Rahmenregelungen, die durch weitere Vorschriften präzisiert werden.
Beispiele aus dem ArbSchG:
etc. (vgl. DKK-Klebe § 87 Rn. 188ff)
Die Arbeitsstättenverordnung, die 2004 grundlegend erneuert wurde eröffnet Regelungsspielraum für die Mitbestimmung des Betriebsrats, nämlich insbesondere dann, wenn nur das Schutzziel angegeben ist und die Umsetzung verschiedene Optionen offen lässt. Teils werden noch weitere Richtlinien und Unfallverhütungsvorschriften heranzuziehen sein, sodass der Spielraum bei manchen Fragestellungen sehr gering bis nicht mehr existent wird.
Die Mitbestimmung wird häufig greifen, wenn die zuständige Behörde auf Antrag des Arbeitgebers Ausnahmen zulässt, weil die behördliche Zulassung lediglich die abweichende Regelungsmöglichkeit eröffnet, es sich mithin um eine konkrete betriebliche Regelung handelt, die der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG unterliegt (Fitting § 87 Anm. 277 f; DKK-Klebe § 87 Rn. 177).
Beispiele:
§§ 3-6
Nrn. 1.2, 1.4, 1.5, 1.8, 2.1, 3.2 und 3.4 bis 3.7 des Anhangs
Die Bildschirmarbeitsverordnung enthält eine Reihe von ausfüllungsfähigen Rahmenvorschriften, da sie nur einen flexiblen Rahmen ohne detaillierte Vorgaben bildet und so der betrieblichen Umsetzung erheblichen Spielraum lässt.
Beispiele:
Die vorgenannten Verordnungen stellen nur einen Ausschnitt der möglichen Anknüpfungspunkte dar. Insbesondere ist auf die Unfallverhütungsvorschriften und Bauvorschriften an sich zu verweisen. Insgesamt wird man jedoch besser eine Präzisierung am konkreten Fall vornehmen und dabei insbesondere bei baulichen Maßnahmen den Arbeitgeber auffordern, zuäußern ob bestimmte Maßnahmen so im Detail vorgeschrieben waren, oder ob Regelungsspielraum bestand. Dies würde die Bestandsaufnahme sehr erleichtern, da genau diese Prüfung beim Arbeitgeber ja bereits durchgeführt wurde.
Soweit also die oben zum Teil erwähnten Vorschriften Regelungsspielräume belassen, steht das Mitbestimmungsinstrumentarium des § 87 BetrVG zur Verfügung. Dies bedeutet, dass bei Uneinigkeit die Einigungsstelle angerufen kann und dass, wenn der Arbeitgeber Maßnahmen ergreift, ohne den Betriebsrat zu beteiligen, ein Unterlassungsanspruch geltend gemacht werden kann.
Die Inhalte dieser Expertenrubrik wurden freundlicherweise von Rechtsanwalt Michael Fleischmann aus der Rechtsanwaltskanzlei "seebacher.fleischmann.müller" in München zur Verfügung gestellt.